Markt & Sourcing

Reibungspunkte mit dem IT-Provider

von Timo Kopp

In laufenden Sourcing-Abkommen lassen sich Spannungen mit einem Benchmark ausräumen – wenn die Klausel im Vertrag gut ausgearbeitet wurde. Sonst führt es zu weiteren brenzligen Situationen.


Ziel eines Marktpreis-Benchmarks ist, eine verbindliche und neutrale Experteneinschätzung des marktüblichen Preises für gewisse Leistungen zu ermitteln und die Frage zu klären, inwieweit die vereinbarten Preise in Verbindung zur gelieferten Qualität (noch) wettbewerbsfähig sind. Daher verfügen die meisten Sourcing-Verträge heute über eine Benchmark-Klausel, um Rahmenbedingungen zur Überprüfung des Abkommens vorab festzulegen und Reibungspunkte in Nachgang zu vermeiden.

Doch trotz einer Klausel gibt es viele Stellen, an denen sich die Spannungen zwischen den Beteiligten entladen können. Dies ist häufig dann der Fall, wenn im Vertrag nur Absichtserklärungen stehen, statt die Kontrollmechanismen und Folgen im Detail zu beschreiben. Folgende Stellen bieten potenzielle Reibungspunkte:

Rahmenbedingungen: Zuerst muss geklärt werden, wer überhaupt einen Benchmark initiieren kann – der Kunde allein oder nur zusammen mit dem Dienstleister? Zudem ist es wichtig, das Timing in der Klausel anzusprechen. So hat es sich als sinnvoll erwiesen, dass der erste Benchmark frühestens nach zwölf Monaten gestartet werden kann. Wichtig ist hierbei die Einigung auf ein Referenzjahr, auf das sich der Benchmark beziehen soll. Schließlich müssen Preise (die meistens im Vertrag stehen) und Mengen/Volumina wie die Anzahl der Changes oder Incidents auch zum Erhebungszeitraum. Manchmal wird das schwierig, wenn man sich auf ein aktuelles Jahr festlegt, zu dem es aber noch keine Daten (Mengen) gibt.

Scoping: Was soll eigentlich der Gegenstand eines Benchmarks sein: Teile des Outsourcing-Vertrags, das gesamte Abkommen, Ratecards für Time&Material-Leistungen etwa für Changes? Klar ist auch, dass der Benchmarker nicht im Interessenkonflikt zu einer der Parteien stehen sollte – hier bietet sich eine Positivliste an. Allerdings können Übernahmen im Markt schnell für langwierige Argumentationen sorgen.

Mitwirkung: „Beide Parteien bemühen sich nach Kräften, den Benchmarker bei der Erstellung seines Gutachtens zu unterstützen.“ So weit, so gut. Und was bedeutet, dass verlangte Unterlagen „unverzüglich“ weitergegeben werden? Für den Fall, dass sich die Parteien nicht innerhalb von 30 Werktagen einigen, kann vorab der Benchmarker dazu bestimmt werden, die zu prüfenden Leistungen festzulegen.

Peer Group: Die Auswahl der Vergleichsgruppe erinnert oft an die Prozedur bei Geschworenen in US-Gerichtsfilmen. Hier eröffnet sich ein weites Feld, angefangen von der Zahl der Peers über allgemeine Vertragsmodalitäten bis hin zu Handelsbedingungen und Steuerfragen sowie Technologien oder Offshore-Quoten. Weniger wäre manchmal mehr, zumal die vielen Paragraphen nicht immer stringent ausgestaltet werden und damit weitere Grauzonen öffnen. Ein Beispiel: Sie haben sieben Vergleichsunternehmen festgelegt und fokussieren später in der Bewertung auf die „bessere Hälfte“. Das muss anschließend wieder zeitintensiv geklärt werden.

Referenzwerte: Wenn der Referenzwert durch den „Durchschnitt der besseren Hälfte der Vergleichsgruppe“ bestimmt wird, was ist eigentlich damit gemeint? Die am besten passende Hälfte im Sinne der Leistungserbringung (Provider-Vorschlag) oder die günstigere Hälfte der Vergleichsgruppe (Kundenvorschlag)? Hier können beide Seiten Argumentationshürden aufbauen, um das Projekt in ihre Richtung zu drehen. Daher ist es wichtig, bereits in der Klausel zu bestimmen, worauf genau sich der Referenzwert bezieht. Zudem zahlt es sich aus, einfache Werte wie den Median festzulegen und auf individuelle Formeln zu verzichten.

Umsetzung: Nach einen Benchmark haben die Parteien oft 30 Werktage Zeit, zum Ergebnis Stellung zu nehmen. Wann aber tritt der (zumeist) reduzierte Preis in Kraft – ab der Übermittlung des Ergebnisses oder bei erfolgter Einigung nach den Stellungnahmen? In großen Abkommen kann es um Millionenbeträge gehen, die eine Seite nicht bekommt und die von der anderen Seite nicht bezahlt werden müssen.

Anpassung: Überhaupt bieten die Preise nach einem Benchmark Raum für Diskussionen. Liegt die Abweichung beispielsweise höher als fünf Prozent vom Wert der Peergruppe, muss der Dienstleister (wenn es vertraglich so ausgehandelt ist) auf das Marktniveau herunter. Allerdings ist häufig strittig, ob sich dies auf das Gesamtergebnis, einen IT-Tower oder einen Preispunkt bezieht. Letzteres empfehlen wir nicht – die Preise sind oft eine Mischkalkulation und subventionieren andere Bereiche. Fairer ist es, sportliche Zielwerte wie das erste Quartil (die günstigsten 25 Prozent der Vergleichsgruppe) auf Tower- oder Gesamtebene zu wählen.

Benchmark-Klauseln: Es kommt darauf an

Über die Jahre zeigt sich in unseren Beratungsprojekten, dass Benchmark-Klauseln immer detaillierter werden. Dienstleister und Kunden pochen zunehmend auf ihr Mitspracherecht, schließlich geht es um viel Geld. So machen sich die Beteiligten vorab einige Gedanken zum Benchmark – aber auf der anderen Seite definieren sie nicht präzise genug, etwa bei Referenzwerten oder Terminen. Dies führt dann zu langwierigen Diskussionen, die oft das Verhältnis der Vertragspartner belasten. Best Practice: Wenn sich beide Seiten in einem Punkt partout nicht einigen können, sollten sie sich zumindest darauf verständigen, dass eine neutrale Instanz entscheidet: entweder der Benchmarker oder das Los.

 

In einem früheren Blog-Post haben wir die Grundbestandteile einer guten Benchmark-Klausel zusammengestellt.

Timo Kopp

Timo Kopp

Der Kommunikationspsychologe Timo Kopp unterstützt Unternehmen in der Harmonisierung ihrer IT-Sourcing-Beziehungen – vom Design der IT-Services bis zur Gestaltung und Kontrolle der Service-Vereinbarungen. Daneben ist er ein Experte für klassische IT-Benchmarks.

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