Markt & Sourcing
XLAs: Experience Level Agreements im IT-Sourcing
von Rene Funke
SLAs sind im IT-Sourcing gesetzt, weil man seine Provider gerne anhand harter Fakten bewertet. Nun etablieren sich allmählich XLAs, Experience Level Agreements. Worum geht’s genau, und was sollen sie bringen?
XLAs sind ein Trend, der sich allmählich etabliert. Er basiert im Wesentlichen auf der Erkenntnis, dass klassische Service Level Agreements (SLAs) zu kurz greifen, weil sie sich nicht auf die Customer Experience erstrecken – ihr Fokus liegt auf technischen und organisatorischen Kennzahlen, beispielsweise Server-Verfügbarkeit und Betriebszeiten des Servicedesks. So kann der Kunde feststellen, ob und inwieweit seine Anforderungen durch den Lieferanten erfüllt werden. Zudem lassen sich finanzielle Kompensationsmaßnahmen mit den vereinbarten Kennzahlen verbinden. SLAs dienen in erster Linie dazu, die Erwartungen von Service- oder Produktmanagern zu erfüllen.
Wenig beachtet und selten als Bewertungskriterium genutzt, wurden bislang die Empfindungen der Anwender – die „gefühlte Qualität“ der IT-Services. Schließlich müssen sie mit den Services arbeiten. Hier behelfen sich IT-Organisationen traditionell mit systematischen Umfragen zur Kundenzufriedenheit, dem niederschwelligen Net Promoter Score (NPS) oder der UMUX Usability Metric for User Experience (mehr zur Kundenzufriedenheit und Listening Strategy von IT-Organisationen in unserem Blog).
XLAs: zwischen Output und Outcome
Hier kommen XLAs ins Spiel. Sie sollen helfen, die gefühlte User Experience zu bestimmen und den Provider daran zu messen. Als Begründung für die neue Perspektive wird häufig der „Wassermelonen-Effekt“ herangezogen: Außen ist für den Service-Manager alles im grünen Bereich, aber innen stehen die Ampeln bei den Anwendern auf Rot. Nutzer haben eine individuelle Wahrnehmung der IT-Performance – was sie als unzureichend empfinden, kann durchaus dem vereinbarten Service Level entsprechen. Im Englischen wird hier auf den Unterschied von Output (Verfügbarkeit der Applikation = grün) und Outcome (langsame Applikation = rot) verwiesen.
XLAs fragen nach dem Service-Nutzen
XLAs stellen die Kundenerfahrung in den Fokus und sollen gewährleisten, dass alle Interaktionen mit einem Service berücksichtigt werden, um diesen an einem vereinbarten Service-Niveau zu messen. Somit werden SLAs nicht ersetzt, sondern durch XLAs ergänzt: Hat die erbrachte Verfügbarkeit den Kunden dabei unterstützt, seine Ziele zu erreichen? Der ganzheitliche Ansatz der Bewertung bedeutet in jedem Fall, dass der Dienstleister verstehen muss, welche Ziele eine Kunden-Persona oder -Rolle hat, was sie sich vom Service erwartet und welche Kriterien sie diesbezüglich glücklich macht. Allerdings lassen sich die Informationen nicht im Vorbeigehen abgreifen, das Feedback erfordern wiederum neue Interaktionen mit den Kunden.
Herausforderungen bei XLAs
Da Kundenfeedback die wichtigste Messgröße in XLAs ist, kommt es darauf an, die Informationen möglichst niederschwellig und reibungslos in Erfahrung zu bringen – kein Anwender klickt mehrmals am Tag auf „fünf Sterne“, wenn er nach der gefühlten Qualität seiner ERP-Software gefragt wird. Hinzu kommt, dass subjektive Erfahrungen in der Lage sind, das Bild der Lage langfristig zu verfälschen – wenn etwa in einer kritischen Situation der Service nicht zur Verfügung steht. Denn im Gegenzug zur Kritik sind Anwender erfahrungsgemäß zurückhaltender mit dem Lob. Daher muss das Bewertungssystem der XLAs wohl überlegt und ausgestaltet sein, sonst läuft der Provider permanent den Berg hinauf.
Neue Raster für Pönalen
Dies gilt auch für die Pönalen oder Service Credits: IT-Organisationen und Provider müssen nämlich die Leistungen (gerissen/übererfüllt) sowohl bei Service Levels als auch bei Experience Levels berücksichtigen. Hier ist besonderes Augenmaß erforderlich, um die Interessen beider Seiten ins Gleichgewicht zu bringen. Denn SLA-Pönalen bringen Provider dazu, die Abwicklung auf Kosten der Experience zu optimieren. Hinzu kommt, dass Kunde und Provider die Touchpoints der Anwender zu verschiedenen Services definieren und eine Lösung für das individuelle Feedback finden müssen. Und mit einer jährlich veranstalteten Umfrage lassen sich keine XLAs bewerten, hier sind die Zyklen deutlich kürzer oder an Ereignisse gekoppelt.
Fazit: XLAs sind ein Paradigmenwechsel
XLAs machen die Bewertung erbrachter IT-Leistungen nicht einfacher oder effizienter, im Gegenteil. Zudem lassen sie sich nicht mit einem Template on Demand ausrollen, und Vorarbeiten sind in jedem Fall nötig. Schließlich geht es nicht um Kennzahlen, sondern um die gute Zusammenarbeit. Wenn der Ansatz jedoch genutzt wird, verändert das nicht nur die Beziehung zu einem Provider, sondern auch zu den eigenen IT-Anwendern. Der Blick aus ihrer Perspektive zeigt Stellen auf, wo die IT tatsächlich besser werden kann – in Bezug auf die Experience und die Erreichung geschäftlicher Ziele. Insofern ist es etwas verwunderlich, dass XLAs erst allmählich zu einem Thema werden.