Markt & Sourcing

Managed Capacity – flexibles IT-Sourcing

von Dr. Jakob Rehäuser

Managed Capacity ist ein flexibles Bestellverfahren im IT-Sourcing: Es kommt dem On-Demand-Gedanken relativ nahe, ist sehr flexibel und eignet sich auch für die Beauftragung agiler Teams.

 

Bei der Beauftragung von IT-Dienstleistern nutzen die meisten Unternehmen Personalaufstockung, Projekte mit fester Laufzeit oder Managed Services als Vertragsmodell. Ein Dilemma in der externen Beschaffung von IT-Experten: Wieviel Kapazität werde ich wirklich brauchen? Zur Ergänzung für klassische Vorgehensweisen nutzen wir daher in Kundenprojekten zunehmend den Ansatz „Managed Capacity“. Dieser macht es für Auftraggeber leichter, den tatsächlichen Bedarf und die Beauftragung enger abzustimmen.

Wie unterscheiden sich Managed Services und Managed Capacity?

Bei klassischen Managed Services bestellt der Kunde einen Service und orientiert sich am Output: Sind die Service-Level eingehalten, passt die Timeline? Der Kunde schreibt dem Sourcing-Partner nicht vor, wie er seine Leistung erbringen soll, solange er die vereinbarte Dienstgüte einhält. Managed Capacity hingegen ist ein „verkapptes Time & Material“, weil die Verantwortung für das Ergebnis nach wie vor beim Kunden liegt. Dieser bestellt beispielsweise zehn Experten vom Sourcing-Partner und beauftragt sie über einen kleinen Servicekatalog mit Aufgaben. In der Regel betreut die Gruppe einen abgegrenzten Teilbereich in der bestehenden Anwendungslandschaft, also etwa die Implementierung von Erweiterungen, Änderungen, kleineren Funktionen und Features.

Zudem sind die Freiheitsgrade bei Managed Capacity größer als bei der direkten Beauftragung: Der Kunde sagt dem Team nicht, wie es eine Aufgabe erledigen muss. Auch werden keine Skill-Profile wie Senior Consultant definiert. Bei Managed Capacity liegt es in der Verantwortung des Sourcing-Partners, die richtigen Skills für eine Aufgabe bereitzustellen.

Was sind die Vorteile von Managed Capacity?

Managed Capacity bietet im Gegensatz zu Managed Services eine große Flexibilität. Der Kunde kann die Kapazität nach Bedarf mit einem Monat Vorlauf hoch- oder herunterfahren. Je nach Vertrag kann man bis auf Null reduzieren, einige Provider wünschen sich aber einen Mindestumsatz. Der flexible Bestellvorgang erlaubt es dem Auftraggeber, schneller zu reagieren und die eigenen Engpässe besser zu erweitern.

In Verbindung mit einem Tier-Pricing-Modell (siehe unsern Blog-Post zu Tier Pricing) lassen sich sinkende Preise bei Managed Capacity auch über Jahre aushandeln. Und durch die höheren Abnahmemengen etwa in Verbindung mit einem Managed-Services-Vertrag verbessern sich die Skaleneffekte. Zudem ist es möglich, beispielsweise zwei Preislisten für die Beschaffung etwa aus Indien und Europa zu hinterlegen, wenn der Provider Near- und Offshore anbietet.

Managed Capacity bietet somit:

  • Eine hohe Flexibilität und Versorgungssicherheit,
  • Reaktionsfähigkeit auf Marktpreisdynamiken,
  • Preis-/Tagessatzstabilität über den definierten Zeitraum,
  • Die Möglichkeit zum Shoring,
  • Reaktionsfähigkeit auf Technologieentwicklungen/-veränderungen und
  • Den Verzicht auf eine Rollenlandschaft.

 

Managed Capacity und agile Projekte

Managed Capacity eignet sich besonders für die Beschaffung von Experten für agile Projekte. Die Kompetenzen des Teams lassen sich gezielt auf die kommenden Sprints zuschneiden. So kann sich die monatliche Kapazitätsplanung beispielsweise über zwei Sprints erstrecken – wird anschließend mehr oder weniger Manpower benötigt, lässt sich der Bedarf relativ schnell anpassen. Weniger ungenutzte Stunden bedeutet, dass dadurch Vollzeitstellen und durchgebuchte Externe für ein Projekt reduziert werden können.

Managed Capacity im Sourcing-Ökosystem

Beim Scoping und der Vertragsgestaltung gibt es keine Automatismen, Managed Capacity kann isoliert oder zusammen mit einer Managed-Service-Beziehung eingesetzt werden. Zudem lassen sich auch bei einem einheitlichen Preismodell beide Wege unabhängig voneinander beschreiten. Vor der Transition bietet es sich in jedem Fall an, einen kleinen Servicekatalog für den Provider zu erstellen. Zudem müssen alle eingesetzten Technologien, Applikationen, Entwicklungsmethoden, Tools und Programmiersprachen, die seine Experten beherrschen müssen, aufgeführt werden. Damit kann der Dienstleister planen, welches Skill-Portfolio er bereithalten muss.

Die Leistungsmessung über klassische Service Level entfällt bei Managed Capacity, denn der Kunde hat weiterhin die Verantwortung für den Erfolg. Allerdings kann er die Qualität der Leistungen bestimmen: Passt die Arbeit der externen Mitarbeiter, werden die richtigen Skills angestellt, wie viele Incidents treten auf? Diese Fragen können Hinweise darauf geben, ob der Sourcing-Partner die optimalen Ressourcen zur Verfügung stellt. Allerdings kann er bei Managed Capacity nicht im Sinne eines Pönale-Modells in Regress genommen werden.

Nachteile von Managed Capacity

Die Schattenseiten von Managed Capacity sind relativ überschaubar. Gelegentlich wird das Modell im Rahmen einer Lieferantenkonsolidierung eingeführt, etwa in einem gemeinsamen Vertrag mit Managed Services. Hierbei kann ein gewisses Überversprechen des neuen Providers stattfinden, um den Deal zu gewinnen. Allerdings wird es immer dauern, bis der Provider alle benötigten Ressourcen an Bord hat – weshalb es in der Startphase bisweilen knirscht.

Zudem können durch den Übergang in der Kundenorganisation Reibungsverluste auftreten: Neue Ansprechpartner des Providers, der Knowledge-Transfer und andere Kommunikationswege verursachen Stress. In der Regel braucht die neue Partnerschaft Monate, bis sich die Zusammenarbeit eingeschwungen hat. Das trifft allerdings auf alle Veränderungen in der Lieferantenlandschaft zu.

Dr. Jakob Rehäuser

Dr. Jakob Rehäuser

Der Wirtschaftsinformatiker Dr. Jakob Rehäuser ist seit über 25 Jahren in renommierten Organisationen als IT-Managementberater tätig. Seine inhaltlichen Schwerpunkte liegen auf den Gebieten IT-Sourcing, Vendor- und Contract-Management sowie IT-Governance.

LinkedIn