Methoden & Tools
Applikationskosten effizient verrechnen
von Marcel Rauch
Die Verrechnung von Applikationen und ihren Betriebskosten beschäftigt IT-Abteilungen sowie deren Kunden seit jeher. Meist sind die verwendeten Modelle entweder zu simpel oder zu komplex, was zur Unzufriedenheit führen kann. Wir zeigen, wie eine effiziente Kompromisslösung aussieht.
Modelle und Verfahren, um die Betriebskosten von Applikationen transparent zu machen und zu verrechnen, gibt es genügend. Ein Ziel dabei ist, im Preismodell den richtigen Kompromiss im Hinblick auf Verursachungsgerechtigkeit, Transparenz sowie den Aufwand für die Kalkulation (inkl. Datenerhebung und -abstimmung) zu finden. Doch wie verteilt man eine Betriebsmannschaft aus 200 Menschen möglichst gerecht auf seine Applikationen, ohne dabei sein Controlling-Team zu verdoppeln?
Meiner Erfahrung nach scheuen viele IT-Organisationen die Applikationsverrechnung, weil ihnen die möglichen Verfahren entweder unbekannt sind oder zu aufwändig erscheinen. Bei den übrigen Firmen sammeln sich die Lösungsansätze an den entgegengesetzten Enden der Skala: Ein Teil der Firmen verrechnet die Anwendungslandschaft applikationsspezifisch mit hohem Detailgrad, während der andere die anfallenden Aufwände pauschal in Rechnung stellt. Beide Verfahren haben Nachteile:
- Der detaillierte Buchungsmarathon ist für Fachbereiche und IT extrem aufwendig, macht keinen Spaß und führt oftmals zu einem hohen Kommunikationsaufwand.
- Die pauschale Verrechnung ist nicht transparent und erschwert die Steuerung bzw. Optimierung von IT und Kosten, da beispielsweise keine Stellschrauben aufgezeigt werden, mit denen der Fachbereich seine Applikationskosten gezielt reduzieren kann.
Business-Applikationen in Aufwandsklassen einstufen
Wir haben in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen bei Kundinnen und Kunden gemacht, die unser Verrechnungsmodell nach Aufwandsklassen eingeführt haben. Dieses ist – zugegeben – ein gewollter Kompromiss. In dem Modell werden mehrere Aufwandsklassen definiert, in die dann die Applikationen des Unternehmens einsortiert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Tool selbstentwickelt oder von der Stange ist. Die Einstufung orientiert sich an den jeweiligen Ausprägungen bestimmter Aufwandstreiber des Betriebs von Applikationen. Dazu zählen beispielsweise:
- Anzahl Schnittstellen
- Anzahl Compute-Instanzen (Server, Container)
- Anzahl User
- Anzahl und Art eingespielter Changes pro Jahr
- Anzahl und Art bearbeiteter Incidents pro Jahr
- Service-Qualität (z. B im Hinblick auf Servicezeit und Verfügbarkeit)
Zwischen Effizienz, Transparenz und Gerechtigkeit
Die Projekte haben gezeigt, dass sich rund 95 Prozent der Applikationen in nur vier bis sechs Aufwandsklassen eingruppieren lassen. Mit der Einstufung erhalten Organisationen ein einfaches Modell, das einerseits sehr nah am tatsächlichen Aufwand dran ist und andererseits auch die Steuerung und Optimierung aufgrund der zugrunde liegenden messbaren Komplexitätsparameter ermöglicht.
Zudem lässt sich auch der Aufwand für die Implementierung des Verrechnungsmodells klein halten, wenn man sich auf Parameter konzentriert, die einen signifikanten Einfluss auf Kosten und Komplexität von Applikationen haben. Dies betrifft etwa die Anzahl der Schnittstellen zu anderen Systemen und die Anzahl der eingespielten Changes. Insofern bilden Aufwandsklassen einen perfekten Kompromiss zwischen Effizienz und Verursachungsgerechtigkeit – ein guter Einstiegspunkt für Firmen, die ihren Applikationsbetrieb noch nicht intern verrechnen, aber auch ein Ansatz, um das eigene bestehende Verfahren zu optimieren.
ERP-Systeme bleiben außen vor
Eine Herausforderung bei der Eingruppierung können die hochkomplexen Anwendungen im Unternehmen darstellen. Zentrale und weltweit ausgerollte ERP-Systeme werden in der Regel individuell verrechnet (auch gerne auf Grundlage der definierten Komplexitätstreiber), da diese mit ihren Parameter-Ausprägungen oftmals die Wertebereiche der vier bis sechs definierten Standardklassen übertreffen und es in der Folge zu Verzerrungen in der Aufwands-/Komplexitäts-Metrik kommt.
Und die Einstufung in Aufwandsklassen ist nur der erste Schritt: Mindestens ebenso wichtig ist die Frage, wie die Kosten der Applikationen anschließend auf verschiedene Fachbereiche oder Landesgesellschaften verrechnet werden. Hier wird es wieder individuell – aber das ist eine andere Geschichte.
Fazit
Es gibt keinen brauchbaren universellen Ansatz zur Verrechnung der Betriebsaufwände von Applikationen. Das führt dazu, dass viele Unternehmen resignieren oder sich für ein Extrem entscheiden: die sehr detaillierte Berechnung der Aufwände auf Ebene der Einzelapplikationen beziehungsweise eine pauschale Verrechnung der gesamten Applikationslandschaft. Unser pragmatischer Ansatz bietet eine ausgewogene Lösung zwischen Einfachheit und Komplexität und kann Unternehmen dabei helfen, die Betriebskosten ihrer Anwendungen transparent zu machen, zu steuern und gezielt zu optimieren.
Marcel Rauch
Der Wirtschaftsingenieur Marcel Rauch ist seit über zehn Jahren als IT-Managementberater tätig. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind IT-Benchmarking, IT-Servicekataloge sowie andere datengestützte Analysemethoden zur Optimierung von Serviceportfolio und -erbringung.