Markt & Sourcing
Vendor Tiering – ABC reicht nicht mehr aus
von Rene Funke

Bei der Bewertung von IT-Lieferanten – dem Vendor Tiering im Rahmen des Vendor-Managements – stehen meist die Ausgaben im Fokus. Dabei ist Standardsoftware nur bedingt strategisch. Wichtiger sind Tools und Skills der Partner, die ein Unternehmen in die Zukunft bringen können.
IT Vendor Tiering ist im Grunde genommen ganz einfach: Stell‘ dir ein Unternehmen vor, das täglich mit einer Vielzahl von IT-Lieferanten zusammenarbeitet – von Cloud-Anbietern über Softwareentwickler bis hin zu Infrastrukturdienstleistern. Jeder Partner hat Einfluss auf die Unternehmensprozesse, sei es durch die Bereitstellung einer Plattform, die Entwicklung neuer Produkte oder den Schutz der digitalen Infrastruktur. Doch nicht jeder Lieferant hat die gleiche strategische Bedeutung.
Priorisieren von IT-Lieferanten
Wie also priorisiert man sie? Welchen Partnern schenkt man besondere Aufmerksamkeit, und welche bleiben eher im Hintergrund? Hier kommt Vendor-Tiering ins Spiel – ein etabliertes Werkzeug, das Unternehmen hilft, ihre IT-Lieferanten zu kategorisieren und die Zusammenarbeit zu optimieren. Man kann es mit einem Stadtplan vergleichen: Ein gut organisiertes Vendor Tiering zeigt, welche Wege am meisten befahren werden und wo die wichtigen Kreuzungen liegen. Es teilt Lieferanten in Kategorien ein, um die eigenen Ressourcen zur Steuerung effektiv einzusetzen.
Traditionell wird hierfür im Rahmen des Vendor-Managements oft das ABC-Modell genutzt:
- A-Lieferanten: Die wichtigsten Partner, die für den Betrieb oder die Strategie unverzichtbar sind.
- B-Lieferanten: Wichtige, aber weniger kritische Partner.
- C-Lieferanten: Unterstützende Anbieter, die leicht ersetzt werden können.
Dieses System klingt einfach und effizient – und das war es auch in einer Welt, in der Größe, Umsatz oder Marktanteil als Maßstab für die Bedeutung eines Lieferanten galten. Doch die Realität in der IT sieht heute anders aus.
Warum greift das ABC-Modell zu kurz?
Cloud-Technologien, künstliche Intelligenz und hybride Arbeit haben die Spielregeln in der IT grundlegend verändert. Das ABC-Modell, so praktisch es einst war, wird diesen dynamischen Anforderungen nicht mehr gerecht. Ein Beispiel: Ein großer Cloud-Anbieter könnte als A-Lieferant klassifiziert werden, weil er wesentliche Infrastruktur liefert. Doch was passiert, wenn ein innovatives Start-up plötzlich eine spezialisierte Lösung bietet, die das Unternehmen in seiner digitalen Transformation deutlich weiterbringt? Diese neuen Player sind in der Regel kleiner und würden im ABC-Modell meist als C-Lieferanten eingeordnet – völlig ungeachtet ihrer strategischen Bedeutung.
Hinzu kommt, dass sich die strategische Relevanz eines Lieferanten im Laufe der Zeit ändern kann. Was heute unverzichtbar ist, kann morgen durch eine neue Technologie obsolet werden. Starre Modelle wie das ABC-System können mit dieser Dynamik nicht Schritt halten, weil in vielen Organisationen die Entwicklung nur verzögert abgebildet wird.

Der Schlüssel liegt in den Skills der Partner
Die Zukunft eines Unternehmens hängt heute davon ab, wie gut es seine IT aufstellt – umfassend. Das bedeutet in erster Linie nicht mehr Computing-Power, sondern Qualifikationslücken zu schließen. Schließlich gibt es für spezielle IT-Anforderungen an der „cutting edge“ nicht genügend Fachleute, um den Bedarf aller Unternehmen zu decken. Beispiele sind KI und maschinelles Lernen, Data Science, Cybersicherheit, der Sourcing-Lifecycle oder die IT-Architektur.
In der Folge rücken externe Partner immer mehr in den Fokus: Neben großen Consulting-Häusern, Softwarekonzernen und Systemintegratoren arbeiten CIOs heute mit Boutique-Beratungen, Freelancer-Marktplätzen und Start-ups zusammen, um sich den Zugang zu wichtigen Talenten, aktuellem Fachwissen und Ressourcen zu sichern. Daher muss auch beim Vendor Tiering der Fokus darauf liegen, welche Skills und Innovationen ein Partner mitbringt – was weit über Kennzahlen wie die jährlichen Ausgaben oder seine Marktkapitalisierung hinausgeht.
Neue Prinzipien für ein modernes Vendor-Tiering
Um den Herausforderungen der modernen IT-Welt gerecht zu werden, muss das Vendor Tiering überarbeitet werden. Ziel sollte sein, Transparenz in die Beziehungen einbringen und in eine bessere Governance der Partner investieren. Vier Prinzipien sind dabei entscheidend:
Bewertung der Skills: Welche Fähigkeiten stellt ein Partner bereit, wieviel investiert er in permanente die Fort- und Weiterbildung seiner Ressourcen? Ein Lieferant, der die neuesten Technologien beherrscht und flexibel auf Marktveränderungen reagieren kann, hat oft mehr Wert als ein etablierter Anbieter ohne Innovationskraft.
Business Impact im Fokus: Unternehmen müssen analysieren, welcher Partner am meisten zur Erreichung der strategischen Ziele beiträgt. Ein spezialisierter Lieferant, der die KI-Transformation entscheidend voranbringt, verdient mehr Aufmerksamkeit – unabhängig von seiner Größe.
Flexibilität und Dynamik: Märkte verändern sich schnell, und ein Partner, der heute noch eine untergeordnete Rolle spielt, könnte morgen unverzichtbar sein. Vendor-Tiering muss diese Dynamik widerspiegeln und regelmäßig angepasst werden.
Kompetenzen der Zukunft: Die Vielfalt als Chance begreifen, denn anstatt starre Kategorien wie „A“, „B“ oder „C“ zu vergeben, sollten Unternehmen ihre IT-Lieferanten durch die Brille der Möglichkeiten betrachten: Wer versteht unsere Herausforderungen, denkt lösungsorientiert und setzt effektiv um?
IT Vendor Tiering der Zukunft
Im Idealfall entwickelt sich Vendor Tiering zu einem Werkzeug, das nicht nur die Gegenwart abbildet, sondern aktiv zur Gestaltung der Zukunft beiträgt. Um die alten Wege im Lieferanten-Management zu verlassen und die vielen neuen Partner zu steuern, brauchen IT-Organisationen andere Prozesse für das Vendor-Management, neue Metriken und eine angepasste Governance. Zudem müssen sie verstehen, dass diese Partnerschaften nur dann gut funktionieren, wenn beide Seiten daraus Vorteile ziehen. Dazu gehört gegenseitiges Vertrauen, das man sich mit einer offenen Kommunikation, klaren Rollen und gemeinsamen Zielen erarbeitet. Denn am Ende des Tages zählt nicht, wer in welchem Tier landet – sondern wer das Unternehmen auf seinem Weg nach vorne unterstützt.