Markt & Sourcing
IT-Sourcing-Transition: vom Scope zum Erfolg
von Thomas Hauzenberger

Die Transition und Transformation (T&T) im IT-Sourcing – der Provider-Übergang – läuft unrund, wenn der T&T-Projektplan nicht alle Aufgaben umfasst und Scopes falsch eingeschätzt werden. Drei Best Practices für den T&T-Plan, damit Kunden und Provider erfolgreicher vorgehen.
„80 Prozent des Rennens gewinnst du vor dem Start“, soll der Segler Boris Hermann gesagt haben. Das trifft perfekt auf die Transition und Transformation (T&T) von ausgelagerten IT-Services zu – sowohl vom Unternehmen zum Provider (1st Gen) als auch zwischen zwei IT-Dienstleistern (2nd Gen). Der T&T-Projektplan ist entscheidend für den Erfolg, und mit ihm der Scope des Übergangs. An drei neuralgischen Stellen passieren die meisten Fehler, und wer sie vermeidet, hat gute Chancen, das Rennen erfolgreich zu gestalten.
1. Den Scope unter Kontrolle bringen
Häufig ist es so: Experten, die den T&T-Plan schreiben, kennen den kompletten Scope des Vertrags nicht. Damit taucht ein Teil des Übergangs einfach nicht im Plan auf – etwa der Printer-Rollout oder die Migration der File-Server zwischen zwei Providern. Ein Grund ist, dass Mitarbeitende des Kunden, der Provider und der Berater oft spät an Bord kommen. So kriegen sie nicht mit, welche Bestandteile zum Übergang gehören und wo nachträgliche Änderungen vorgenommen wurden.
Zwar kann man sich in die Historie und die Verträge einlesen, aber ein tiefer Einblick öffnet sich so nur bedingt. Ist man hingegen von Anfang an dabei und hat auch die Review-Sessions mitgemacht, kann man bei Änderungen umgehend die T&T-Pläne aktualisieren. Solche Entscheidungen fallen gerne auch am letzten Tag: „Das Archiv nehmen wir noch in den T&T-Scope auf.“
Lesson Learned: Alle Beteiligten brauchen die volle Scope-Kontrolle über die ausgelagerten Leistungen. Das ist zwar offensichtlich, aber längst nicht immer gewährleistet.
2. Ein T&T-Plan für den Provider und den Kunden
Viele Kunden erwarten: „Ich wähle einen professionellen Provider, der weiß, wie der Übergang läuft. Sie nehmen mich an der Hand und führen mich durch die T&T-Phase.“ Was Provider in Wirklichkeit machen: Sie schreiben einen Plan für die eigenen Aktivitäten. Darin sind die Aufgaben und Leistungen des Kunden nicht aufgeführt. Allerdings muss ein echter T&T-Plan alles Notwendige beinhalten, um erstens den Betrieb zu übernehmen und zweitens die IT zu verändern. Dieser umfassende Scope deckt nicht nur die vertragliche Provider-Perspektive ab, sondern führt alle Aktivitäten auf.
Ein Beispiel: Der Provider baut den Migrationslink vom alten ins neue Rechenzentrum auf. Was jedoch im Plan fehlt, ist die Anbindung des Netzwerks für den operativen Betrieb. Wird der Migrationslink nach dem Übergang abgebaut, braucht der Kunde in diesem Moment den Anschluss an das neue Data Center. Wurde dies jedoch erst kurz vor dem Abschalten des Migrationslink festgestellt, verzögert sich das Projektende, da Bestellung und Lieferung mehrere Monate dauern können. Sie meinen, so etwas kann in professionellen Unternehmen nicht passieren? Genau diese Fehler treten in der Realität viel häufiger auf als gedacht und sind für den Projekterfolg tödlich.
Auch wenn es die Aufgabe des Kunden gewesen wäre, das WAN für den operativen Betrieb rechtzeitig zu bestellen, muss der Job in den T&T-Plan aufgenommen werden. „Holistisch“ ist zwar Berater-Bingo, aber hier passt es gut: Man muss wirklich alles im Blick haben, was in der Transition und Transformation passieren soll. Dazu zählen ALLE notwendigen Aktivitäten von ALLEN beteiligten Parteien. Der neue Provider muss zwar nicht sämtliche Aufgaben ausführen und ist auch nicht dafür verantwortlich. Allerdings sollte er einen ganzheitlichen Plan erstellen, mit den Parteien absprechen und auf dieser Basis die Durchführung orchestrieren.
Lesson Learned: Provider konfrontieren Kunden nur ungern mit ihren Mitwirkungspflichten. Heute wissen jedoch die meisten Unternehmen, dass sie im T&T aktiv tätig werden und Ressourcen abstellen müssen. Daher sind Provider gefragt, für Transparenz und Planungssicherheit zu sorgen.

3. Der T&T-Scope ist größer als der ausgelagerte Scope
Pacta sunt servanda – auch im Sourcing. Aber es geht in der T&T nicht nur um eine Aktivierung der vertraglich vereinbarten Services. Der T&T-Scope ist nämlich deutlich größer als der Vertrags-Scope, wodurch sich schwerwiegende Probleme ergeben können. So werden beispielsweise bei einem Infrastruktur-Outsourcing des Datacenters nicht nur die Server umgezogen, sondern auch die darauf laufenden Applikationen. Diese sind aber bei einem Infrastruktur-Outsourcing nicht im Scope des Vertrages. Trotzdem muss sich, offensichtlich, die T&T darum kümmern. Daher gehört die Aufgabe unbedingt in den T&T-Scope rein – einschließlich des Umzugs der darauf laufenden Datenbanken, Load Balancer, Firewalls und anderer Tools aus dem Software-/Security-Stack.
Auch hier gilt, dass der gesamte Plan vom Provider kommt. Er muss alle Tätigkeiten und Parteien umfassen, um den Gesamterfolg der T&T ohne negative Auswirkungen auf den Endkunden und seine Business Units zu gewährleisten. Ist dies passiert, werden die einzelnen Aufgaben dem Kunden und den Providern zugeordnet. So lassen sich Ressourcen besser einplanen, und manchmal erkennt der Kunde, dass er eine Aufgabe allein nicht leisten kann. Dann könnte er den Provider rechtzeitig mit zusätzlichen Aufgaben beauftragen, etwa einem Application-Assessment. Wichtig ist nur, dass alle Seiten in der T&T-Phase stets wissen, welche Leistungen wann in wessen Verantwortungsbereichen sind.
Lesson Learned: Ich vergleiche die T&T-Phase gerne mit einer Operation am offenen Herzen, um die Problemstellung zu verdeutlichen. Neben erfahrenen Herzchirurgen braucht es OP-Fachleute, die sich um die Beatmung und die Anästhesie kümmern, damit das komplexe Projekt ein Erfolg wird. Ohne einen übergreifenden Plan für alle betroffenen Organe (= IT-Services) wird die Transition und Transformation scheitern.
Fazit
Wenn gilt: „Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch“, dann gilt in der T&T auch: „Ein Plan ohne Scope ist nur ein Wunsch.“ Der Umfang von T&T geht in der Regel über den vertraglichen Umfang des Anbieters hinaus, weil sichergestellt werden muss, dass die Transition keine negativen Auswirkungen auf andere, damit verbundene Services hat. Denn in der IT kann man nicht einfach an einer Stelle Änderungen umsetzen, ohne die Umsysteme zu berücksichtigen – sonst drohen gravierende Kollateralschäden.
Der T&T-Plan muss alle Aufgaben berücksichtigen. Allerdings verteilt er auch die Verantwortlichkeiten durch eine klare Unterscheidung zwischen Anbieterleistungen, Kundenleistungen sowie Leistungen des Bestands-Providers. Oberstes Ziel des erweiterten Scopes im T&T-Plan ist neben der Transparenz für den Kunden, dass dessen Business nicht negativ beeinflusst wird. Denn er muss sich im Gegenzug rechtzeitig darauf einstellen können, wann er welche Eigenleistungen im Projekt zu erbringen hat. Alle Parteien müssen aktiv an der Transition arbeiten, wenn sie gemeinsam erfolgreich sein wollen. Denn greifen die Partner nicht ineinander, ist auch die neue IT anfangs nicht integriert – ein denkbar schlechter Start in die neue Beziehung.
Wer Interesse hat, sich über das Thema auszutauschen und/oder eine übergreifende Qualitätsinitiative zu starten, kann sich gerne bei mir melden. Ich freue mich auf Feedback!

Thomas Hauzenberger
Thomas Hauzenberger steuert seit 25 Jahren große Projekte für Transition und Transformation (T&T) im IT-Sourcing – weil es ihm Spaß macht. Seine Erkenntnis: Der hemdsärmelige Ansatz führt direkt in die Sackgasse. Daher liegt sein Fokus auf einer standardisierten Vorgehensweise.